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Buchrezension: Oscar Wilde – Lord Arthur Saviles Verbrechen

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Oscar Wilde

Oscar Wilde

Zeitweise bildete Oscar Wildes „Picture of Dorian Gray“ einen meiner bevorzugten Sammelgebiete. An die fünfzehn verschiedenen Ausgaben, alle in Englisch, brachte ich es zeitweise, sogar zwei davon aus Afrika. So fasziniert war ich von dem herrlich dekadenten Hedonismus, der Schönheit der Sprache und der Kraft seiner Sentenzen fasziniert.

Der bissige Witz Wildes, seine unglaubliche Schärfe und Präzision der Sätze, gepaart mit dem ausgesprochen prägnanten Zynismus und Desilussionismus des Lebens deckte sich so wunderbar mit meiner eigenen Gefühlswelt in dieser Zeit, dass ich zu behaupten wage, Dorian Gray prägte mich auf eine solche Art und Weise, wie kaum ein anderes Buch. Nicht nur auf Positive, fürchte ich, sagen zu müssen, denn ein solches Buch ist mehr als gefährlich, wenn ihm die Seele eines Lesers auf dem eigenen Ich-Findungstrieb begegnet.

Allerdings schrieb Wilde nicht nur solch bedeutende Geschichten, sondern auch einige Theaterstücke und Novellen, die eher dem lustigen Genre einzurechnen sind. „The importance of beeing earnest“ (unbedingt in Englisch zu lesen!) führte bei mir eins in der S-Bahn zu solch einem Lachanfall, dass so gut wie alle Mitreisenden mich wie einen geistig kranken angeschaut haben. Nicht wirklich wohlwollend, möchte ich ergänzen.

„Lord Arthur Saviles Verbrechen“ gehört eindeutig zu diesem Genre. Wenn schon einem ehrenwerten, gebildeten und auf sein Wort stolzen Engländer, der kurz vor seiner Hochzeit steht, ein berühmter Chiromant aus der Hand liest, dass er ein Mord begehen wird, dann muss er dies schnellstmöglich tun. Wozu aufschieben, was notwendig ist, was das Leben von einem verlangt? Lieber es sofort tun und wieder, in seiner verqueren Logik, wieder das Herz frei haben. Doch doof, wenn das Schicksal einem nicht helfen wird und alle Mordanschläge der Reihe nach scheitern?

Aber der Reihe nach. Auf einem großen Ball bei der Lady Windermere lernt Lord Arthur einen Mr. Podger, einen berühmten (laut Lady Windermere) und großartigen (laut Lady Windermere) Chiromantiker, der sein Können dadurch unter Beweis stellt, dass er ein paar anwesenden Blaublütern aus ihrem Leben vorliest. Natürlich nur allgemeines und das, was in der Zeitung zu finden ist, aber die Aristokraten sind hingerissen von Windermeres Löwen (so nennt die holde Lady ihre Favoriten für eine Saison).

Nach vielem Widerstreben lässt auch Lord Arthur sich aus der Hand lesen und erfährt von dem sichtlich entsetzten Chiromantiker, dass er ein Mörder wird. Ein Mörder. In seiner gutherzigen naiven Logik denkt Arthur aber nicht wirklich daran, ein Verbrecher zu werden, sondern nimmt an, ein Mord sei eine großherzige Pflicht, eine ehrenvolle Notwendigkeit, die vollzogen werden muss, bevor er die bezaubernde Sibyl Merton heiraten darf.

Ein Opfer muss her. In seiner bezaubernden Naivität setzt sich Lord Arthur daher mit einer sorgfältig vorbereiteten Liste aller Freunde und Verwandte, um ein Opfer auszusuchen. Feinde will er nicht töten, da es sich nicht gehört. Seine Wahl fällt auf die Tante Clem, eine ältere Dame, die an Sodbrennen leidet. Er besorgt sich ein starkes Gift, verpackt es in eine schöne Dose und überbringt es der Dame als Mittel gegen die Sodbrennen. Befreit fährt er nach Venedig in die Ferien, die er mit vielen Segelausflügen, Spaziergängen und sorgfältigen Lesen von Todesanzeigen verbringt.

Endlich erreicht ihn die ersehne Nachricht vom Tod Tante Clems und sofort eilt er nach London zurück. Doch als seine geliebte Sibyl zufällig die Dose mitsamt der Giftpille findet, erkennt er, dass er Lady Clem nicht umgebracht, diese statt dessen auf natürliche Weise verstarb. Seine Wut, seine Enttäuschung und Frustration ist grenzenlos, er steht Tränen nahe.

Aber gut, was passiert ist, ist passiert. Ein neues Opfer muss her. Lord Arthur nimmt wieder seine Liste, welche er glücklicherweise noch hat, und pickt dieses Mal den Dekan von Chichester. Aber diesmal soll es kein Gift geben. Da der Dekan ein Sammler alter Uhren ist, soll es eine Uhr mit Sprengstoff sein.

Auf Umwegen findet er Zugang zu einem handwerklichen Meister der Sprengkunst, dem er, naiv-ehrlich, genau erklärt, was er vorhat, um keinen falschen Eindruck zu erwecken. Das Päckchen wird vorbereitet, auf bestimmte Zeit angestellt und versendet.

Doch er explodiert nicht. Stattdessen pufft es hin und wieder, wenn man etwas Schießpulver legt. Der Meister der Sprengkunst hat versagt.

Bodenlos ist die Enttäuschung des Lord Arthur, er vergießt bittere Tränen darüber, wie bösartig ihm das Schicksal spielt. Wie kann er nun endlich seine geliebte Sibyl retten, seine Ehre wieder herstellen, wenn er immer noch kein Mord begann? Doch dann findet er zufällig das richtige Opfer…

Oscar Wilde at his best, bleibt nur zu sagen. Eine grandiose Novelle, lustig, spannend und, trotz des seltsamen Thema, auch real. Man fiebert mit dem sympathischen Möchtegern-Mörder mit und hofft, wider das eigene Gewissen, dass ihm endlich ein Mord gelingen mag. Alles garniert mit der schönen, zynischen und mit wunderbaren Sentenzen gespickten Sprache Wildes.


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